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Ein tierisches Gespenst geht in Oberperfuss um

15.10.2025

Ein tierisches Gespenst geht in Oberperfuss um

Bericht von Alicia Martin Gomez – MeinBezirk.at


    Vor Kurzem feierte die Komödie „Mein Freund Harvey“ von Mary Chase in Oberperfuss Premiere.

    OBERPERFUSS. „Ich muss zugeben, manchmal sehe ich den weißen Hasen auch“, gesteht Veta Louise Simmons bei ihrem Besuch im Sanatorium und spätestens ab der Hälfte des neuen Stückes „Mein Freund Harvey“, ging es bestimmt auch einem Großteil des Publikums in Oberperfuss so. Die Rede ist hier vom unsichtbaren, 180 cm großen Hasen Harvey, der beste Freund von Elwood P. Dowd. Dieser Hase ist zwar für Elwood allgegenwärtig aber für seine Mitmenschen nicht sichtbar.

    Während die Familie versucht, Elwood auf Grund seiner Fantasien im Sanatorium los zu werden, wird dem Publikum immer mehr vor Augen geführt, dass die Grenzen zwischen „Normal“ und „Verrückt“ nicht immer klar sind. Möglich wird dies durch das hervorragende Spiel der Schauspielerinnen und Schauspieler aus Oberperfuss. Während Christian Heis alias Elwood durch seine Gespräche ins Nichts und seine fröhliche Art zahlreiche Sympathiepunkte sammelt und der nicht existenten Figur Harvey ein Gesicht verleiht, sorgt Gerda Wegscheider als Veta durch ihre überspitzt dramatische Performance für einige Lacher, aber auch für Mitleid. Ein Publikumsliebling ist wohl auch Clemens Triendl als Marvin Wilson. Er verkörpert einen Securitymitarbeiter/Krankenpfleger und lässt dabei kein Klischee aus. Zwischen Bodybuilder und derber Sprache lässt er auch mal den weichen Kern hervorblitzen und sorgt für zahlreiche lächelnde Gesichter im Publikum.

    Besonders amüsant wird das Stück neben den schauspielerischen Künsten vor allem durch die Referenzen aus der Film und Fernsehwelt. So kann man bei Dr. Sanderson sowohl charakteristische als auch optische Züge des autistischen Arztes Shaun Murphy aus The Good Doctor erkennen. Das unterschwellige Geplänkel zwischen den beiden Simmonsdamen und Mrs. Chauvenet erinnert wiederum an Downtown Abbey. Auch ein kleines Stückchen Oberperfuss darf in der Inszenierung nicht fehlen. So trifft sich Elwood gerne im Spritzenhaus der Feuerwehr zum Kartenspielen. Kenner wissen, das ehemalige Spritzenhaus in Oberperfuss ist jetzt auch ein Veranstaltungsort der gerne genützt wird.

    Die Stimmung des Stückes wird aber nicht nur durch die schauspielerischen Künste und die humorvollen Sequenzen vermittelt. Auch die Farben spielen eine wesentliche Rolle. So sind die Wohnräume von Dowd und Simmons besonders bunt und musterreich gestaltet, was das Chaos in der Familiendynamik aber auch in der eigenen Gedankenwelt widerspiegelt. Dem zum Kontrast steht das schlicht gehaltene Sanatorium mit den groß hervortretenden Buchstaben. Sie vermitteln gepaart mit der Farbe Orange, die für das Sanatoriumpersonal gewählt wurde und im asiatischen Raum für Erleuchtung und Weisheit steht, Autorität und Ordnung. Beide Stimmungen werden aber im Laufe des Stücks durch das Handeln der Darstellenden aufgebrochen.

    Die bunte Kulisse wurde von Harald Lechner und Florian Gutleben umgesetzt.

    Über den Humor hinaus:

    Genau dieser Bruch ist es, der das Stück zu etwas Besonderem macht. Denn durch das Verschwimmen der Grenzen zwischen den einzelnen Charakteren wird klar, dass niemand wirklich mit sich im Reinen zu sein scheint, mit Ausnahme von Elwood. Sämtliche Figuren des Stückes haben eine große Sehnsucht, die sie um jeden Preis anstreben, begleitet von Neid und Mistgunst oder Skepsis. Elwood hingegen nimmt die Dinge wie sie sind und kommen und strahlt damit Sicherheit aus. Dies wiederum vermittelt, dass Akzeptanz und Toleranz auf längere Sicht hin glücklicher machten als Ignoranz und Scheuklappendenken. Oberflächlichkeiten werden zweitrangig und gemeinsame Zeit und Anerkennung rücken in den Vordergrund. Ein Sinnbild für Inklusion und Integration. Generell ist das Ziel des Stückes, für eine gute Stimmung zu sorgen und die Poesie und die Fantasie über den Alltag siegen zu lassen. Quasi eine kurze Zeit wieder Kind zu sein.